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Interview mit Robben-Expertin Annika Toth

Infos zur Person:

Annika Toth, 1991 in Dortmund geboren, lebt und arbeitet als Meeresbiologin in Dänemark.

1. Zu welcher Jahreszeit gibt es die besten Chancen einer Robbensichtung an Nord- und Ostsee?

Die Möglichkeit, Robben im Nord- und Ostseeraum zu beobachten, gibt es das ganze Jahr. Im Sommer ist die Wahrscheinlichkeit aber noch ein bisschen höher. Robben kommen dann gerne an Land und genießen die warmen Sonnenstrahlen auf dem Pelz. Nach einer anstrengenden Jagd lieben sie es, sich auszuruhen. Besonders wichtig ist das für junge Robben, da sie so ihre Kraftreserven auftanken können.

Seehunde gebären ihren Nachwuchs in den Sommermonaten (Juni bis August). Zu dieser Jahreszeit ist es möglich, die Kleinen auf Sandbänken und an Stränden beim Warten auf das Muttertier zu beobachten. Die ersten 4 Lebenswochen sind sie nämlich auf die Versorgung durch das Muttertier angewiesen und können noch nicht eigenständig auf Nahrungssuche gehen.

Kegelrobben hingegen bekommen ihren Nachwuchs in den Wintermonaten (Dezember bis Februar).

2. Was sind beliebte Sichtungsgebiete an Nord- und Ostsee?

Meist kann man natürlich nicht vorhersagen, wo sich die Seehunde und Kegelrobben einen Platz zum Ausruhen suchen. Besonders Seehunde sind auf Gebiete entlang der Küste beschränkt und schwimmen nicht sonderlich weit hinaus, um auf Jagd zu gehen. Kegelrobben nehmen da eher weitere Strecken in Kauf. Aber natürlich gibt es auch Gebiete, in denen sich die Robben besonders wohl fühlen und wo man sie täglich beobachten kann. Viele Organisationen bieten sogenannte Robben-Safaris an, bei denen man zu Fuß oder vom Schiff aus die Tiere beobachten kann.

Bekannte Sichtungsorte sind der Hafenort Büsum, die Nordsee-Inseln Sylt, Helgoland sowie die dänischen Insel Mandø, Fanø, Lolland, Anholt, Saltholm und die dänische Meeresstraße Limfjord.  Hier kann man sich relativ sicher sein, dass man Robben zu sehen bekommt. Aber auch hier gibt es keine 100-prozentige Sicherheit. Das Verhalten der Tiere kann man nie planen oder vorhersagen: Nahe der nördlichsten Stadt Dänemarks, Skagen, gibt es Tage, an denen sich bis zu 15 Seehunde am Strand tummeln. Dann gibt es wieder Zeiten, wo man tagelang keine einzige Robbe sieht. Es ist und bleibt immer eine Überraschung. Aber genau das macht die Natur ja aus.

3. Ich habe ein Jungtier an Land allein gesichtet – Was muss ich jetzt tun?

Junge Seehunde bzw. Kegelrobben liegen oftmals alleine am Strand, da das Muttertier sie dort "abgelegt" hat, während sie jagen geht. Die Aufzucht der Jungtiere ist sehr kräftezehrend. Daher ist das Muttertier darauf angewiesen, genügend Nahrung zu finden. So kann sie ausreichend fettige Milch für das Jungtier produzieren. Nach wenigen Stunden wird sie zu ihrem Jungen zurückkehren. Daher ist es besonders wichtig, genügend Abstand zu dem Kleinen zu halten. Erwachsene Tiere sind meist sehr viel scheuer als die Jungen und vermeiden den Kontakt zu Menschen. Würden wir uns in der direkten Nähe zu dem Jungtier befinden oder es sogar anfassen, besteht die Gefahr, dass das Muttertier das Junge verstößt.

4. Wie weit darf ich mich einer Robbe am Strand nähern?

Generell gilt: Halten Sie so viel Abstand wie möglich! Natürlich ist es verlockend, die Tiere aus nächster Nähe beobachten zu können. Aber dabei gefährdet man nicht nur sich selbst, sondern auch die Tiere. Im Idealfall bemerken die Tiere die Anwesenheit der Menschen gar nicht erst.

Das Gesetz zum Schutz der Meeressäugetiere von 1972 beinhaltet unter anderem Vorschriften für die Interaktion zwischen Mensch und Tier. Es besagt u. a., dass ein Abstand von stets 50 Metern eingehalten werden muss. Verstöße dagegen können strafrechtlich verfolgt werden. Mit modernen Smartphones und Kameras lässt sich diese Distanz aber leicht überbrücken.

5. An welchen Anzeichen erkennt man eine kranke Robbe?

Für den Laien ist es oft schwer, den Gesundheitszustand von Robben am Strand richtig einzuschätzen. Oft denkt man z. B., dass Zittern ein klares Zeichen für den schlechten Zustand des Tieres ist. Allerdings ist Zittern oft völlig normal für das Tier. Damit versuchen sie, ihre Körpertemperatur zu regulieren bzw. sich nach dem Abkühlen im Wasser wieder aufzuwärmen.

Ein weiteres trügerisches Anzeichen, dass die Robbe eventuell verletzt oder krank sein könnte, ist die schleppende Fortbewegung an Land. Im Gegensatz zum schnellen und wendigen Schwimmen im Meer, bewegen sie sich an Land durch "robbende" Bewegungen auf ihrem Bauch fort. Dies kann teilweise sehr beschwerlich sein und wirkt sehr unbeholfen. Ein Anzeichen für eine Verletzung ist das aber nicht.

Ein erkranktes Tier ist häufig abgemagert. Rippen und Hüfte treten stark hervor. Durch ihren schlechten Zustand ist es ihnen meist nicht mehr möglich auf Nahrungssuche zu gehen. Des Weiteren sieht man oft Tiere, denen Blut aus Mund und Nase läuft. Dies können Anzeichen für eine ernsthafte Erkrankung der Atemwege sein. Kleinere Schnitte an den Flossen neigen dazu, sehr stark zu bluten. Dies ist in der Regel kein Problem für die Tiere. Erst bei größeren, offensichtlichen Verletzungen sollten Maßnahmen ergriffen werden.

6. Ich habe ein krankes oder verletztes Tier gesichtet – Was muss ich jetzt tun und wen kontaktiere ich am besten?

Sichtungen in Deutschland können dem Deutschen Meeresmuseum gemeldet werden. Dies gilt für die Sichtung von allen Meeressäugetieren, zum Beispiel Robben oder Schweinswale. Durch das Melden von Sichtungen ist es möglich, die Aufenthaltsgebiete dieser Arten näher zu analysieren und zu verstehen.
Sichtungen und auch Todfunde können unter der Telefonnummer 03831 2650 3333 gemeldet werden. Tote Tiere werden so schnell wie möglich abgeholt, um die genaue Todesursache zu klären.
Des Weiteren gibt es die App „OstSeeTiere“, mit der man Sichtungen und Todfunde von Meeressäugetieren an der Ostsee melden kann.

In Dänemark sind die Regeln etwas lockerer als in Deutschland. Dort muss nicht jeder Todfund eingesammelt und untersucht werden. Dies gilt in der Regel eher für seltenere Arten, wie Kegelrobben oder Zwergwale.  Kranke Tiere können unter folgender Nummer gemeldet werden: +451812 (Dyrenes Vagtcentral). Diese Einheit gehört zur Naturstyrelsen, einer Behörde des dänischen Umweltministeriums.

Unter www.naturstyrelsen.dk/lokale-enheder/ kann das entsprechende lokale Büro ausfindig gemacht werden.

7. Muss ich grundsätzlich jede Robbensichtung melden?

Nein, das muss man nicht. Die Robbenpopulation hat sich in den letzten Jahren stabilisiert und ist sehr groß geworden. Robben gehören mittlerweile zur Natur, wie das Reh im Wald. Melden sollte man nur kranke, verletzte, tote oder seltene Meeressäuger.

8. Woran erkenne ich einen seriösen Anbieter von Robben-Watching-Touren?

Seriöse Anbieter erkennt man vor allem daran, dass sie die Tiere respektvoll behandeln und dieses Wissen auch an ihre Gäste weitergeben. Das Wohl der Tiere sollte im Vordergrund stehen und nicht der Profit. Geführte Touren haben stets einen gut ausgebildeten Guide dabei, der alle Verhaltensregeln einhält und die Gäste darauf aufmerksam macht.

Ein schlechtes Zeichen ist es, wenn der Anbieter damit wirbt, dass man den Tieren sehr nah kommen kann und sie sogar anfassen darf. Robben sind keine Kuscheltiere und mögen es nicht, angefasst zu werden. Dies kann sehr gefährlich für uns Menschen werden.

Wir bedanken uns bei Annika Toth für das freundliche Gespräch!